Gläserne Klänge, von der Sonne gewärmt
“Markus Stockhausen nur kreativ zu nennen, käme angesichts seiner augenblicklichen Schaffensphase einer Geringschätzung nahe. Der Trompeter und Flügelhornist mit geistigem Zentrum in Köln produziert derzeit in dichter Folge derart reiche, traumschöne Alben, dass man ohne Übertreibung von einem kreativen Rausch, dem Umsetzen unaufhörlich sprudelnder lyrischer Einfälle sprechen kann. Ob solistisch in Aufzeichnungen seiner Soli in der Kölner Kirche St. Maternus, in Duos von tiefer Seelenverwandtschaft mit seiner Frau und Partnerin Tara Bouman oder in Jazz-Konzerten mit wechselnder Besetzung – Stockhausens Arbeiten sind Ausdruck hohen musikalischen Gespürs für innere Zustände und seelische Befindlichkeit. Er ist ein Träumer an seinen Instrumenten, die er zu ambrosischen Werkzeugen macht. Mit dem neuen Album „Lichtblick – prima, altrove …“ zeigt er wieder einmal seine jazzige Seite, mit zwei kongenialen Instrumentalisten an seiner Seite: dem Pianisten Angelo Comisso und dem Schlagzeuger Christian Thomé. Auch bei dieser stillen Form des Jazz, die auf zauberhafte Art nachgerade zur Bewunderung schöner Momente zwingt, will sagen, man kann sich ihr nicht entziehen, erreicht Stockhausen die Vermittlung der Ruhe, welche seiner Musik durchweg eigen ist. Das Wort, um das zu beschreiben, ist mit Bedacht gewählt: Andacht ergreift den Hörer. Stockhausen und Comisso haben für „Lichtblick…“ zu gleichen Teilen die Kompositionen geliefert, die perfekt harmonieren. Ob sich in „Blue Morning“ Stockhausen und Comisso im gläsernen Klang abwechseln, ob „Ein Hauch“ wie eine feierliche Prozession erklingt, in „Hasmin“ ein Hauch Orient schwingt, „Green Sky Burning“ von Sonne durchflutet scheint oder die „Elegia“, vom dezenten Schlagzeugrhythmus geführt, noch einmal tiefe Besinnung demonstriert – „Lichtblick – prima, altrove …“ ist ein wunderschönes Album.”
Frank Becker auf omm.de, 2004
Trio Stockhausen – Comisso – Thomé: Lichtblick – prima, altrove…
Der Kölner Trompeter Markus Stockhausen ist zweimal mehr als Meister der Improvisierten Musik zu hören. „NonDuality“ zum ersten. Fern jeden Formatzwangs formt er Klangbilder, zelebriert Impressionen, kollagiert Stilistiken von Ethno über Jazz bis hin zur Avantgarde im Bereich Neuer Musik auf den Spuren seines Vaters oder eines Arvo Pärt. Glockenklang zu Beginn mutet an wie der Auftakt eines fernöstlichen Rituals. Gregorianische Reminiszenzen lassen Bilder einer Klosterkirche aufsteigen. Messglöckcheninspirationen bilden den Ausgang für „Freitagsglocken“. Stimmen aus diversen Ländern Afrikas und Asiens sind über hartem Funk Groove zu hören, Jasper van’t Hof und Pili Pili lassen grüßen. Bedrohlich kommt ein apokalyptisches Szenario mit wabernden Elektroniksounds daher. Erinnerungen werden wach an Miles Davis’ Weltuntergang von 1985 auf „You’re under arrest“. Nicht von ungefähr wählt Markus die Klangfarbe des harmon mute. Einer Götterdämmerung gleich erklingt am Schluss die Neuzeit. Ein Wispern und Vibrieren über Schwebeklängen. Quartseptseligkeit und Progressionen in slow motion. Die so unterschiedlichen Kleinodien bilden eine 7-teilige Suite. Der Begriff „Komposition“ trifft nur bedingt zu, denn es handelt sich um offensichtlich spontane Kommunikation, „konzipierte Improvisation“, wie sie’s nennen. Markus (tp, e-tp, voice, inside piano, shakers, bells, synthi) präsentiert sich mit seinem Bruder Simon (synthi, sampler und sopran sax) als wunderbar harmonisches Duo. Sie blicken auf eine über mehr als zwei Jahrzehnte währende musikalische Partnerschaft zurück. Hier wechseln sie sich in Melodiepart und Begleitung ab, ergänzen sich in jeder Beziehung traumwandlerisch intuitiv. „nonDuality“ bedeutet: im Zusammenspiel der beiden entsteht etwas Neues, gewissermaßen Drittes, in der Summe mehr als die „Teile“. Ergänzt werden sie bei zwei Stücken per overdubs durch den Italiener Andrea Marcelli, der durch akzentuiertes Drumming für Verve sorgt, sowie durch die niederländische Klarinettistin Tara Bouman. Ihr ist im Duo mit Simon die „Neuzeit“ vorbehalten, dieses Klangbild einer hoffnungsvollen Zukunft – Vorklang schon vom Himmel auf Erden und Wohltat für in Hektik aufgeriebene Zeitgenossen.
Die CD „Lichtblick – prima, altrove“ knüpft dort an und endet in dieser Manier. Insgesamt geht es hier aber weitaus jazziger zu. Die Improvisationen sind überwiegend traditionell eingerahmt vom Thema eingangs und am Schluss. Das aktuelle Trio mir dem Schlagzeuger Christian Thomé und dem Pianisten Angelo Comisso ist in Aufnahmen vom Juni 2004 zu hören, die in Triest nach einem Festival-Auftritt in Udine entstanden. Kompositionen von Comisso, Stockhausen und eine Gemeinschaftskreation bieten nachdenkliche, balladeske Themen und verhaltene, teils überaus zarte Charakteristiken im Wechsel mit zupackenden Stücken, allen voran „Hasmin“. Comisso stürzt los mit ungestümen, schnellläufigen Riffs, wie sie zuletzt in „In my garage“ vom Esbjörn Svensson Trio zu hören waren („Seven Days Of Falling“). Markus legt eine wunderhübsche Melodie darüber, Thomé wirbelt und sorgt für furiosen Drive. Das ist Aufregung pur, höchstes Glück und größte Anstrengung in einem. Natürlich darf die Elektronik-Collage nicht fehlen, gewissermaßen die Stockhausensche Familientradition im „Green sky burning“. Mit dem harmon mute Dämpfer kommt „Belflor“ sehr eindringlich daher. Es mutet an wie eine weitere Hommage an Miles Davis und liegt auf der Linie der für Miles damals komponierten Suiten (z.B. Palle Mikkelborgs „Aura“). Sterbensschön betört „Elegia“: romantisch, verträumt, ähnlich der „Neuzeit“-Seelenbalsam und ein Fall für die repeat-Taste. Einfallsreichtum, Spielfreude und kongeniales Miteinander kennzeichnen dieses gleichberechtigte Trio: ausdrucksstark in den Themen, versiert in der Begleitung, irisierend in den Soli. Hervorgehoben sei hier Thomés Beckenzauber beim „Go on“. Man kann dem Fazit von Hans-Jürgen von Osterhausen nur beipflichten: „das inspirierte Zusammenspiel von drei Musikern, die sich glücklicherweise gefunden haben“.
Dieter Wackerbarth, Jazzpodium, 1. Mai 2005
Trompete, Flügel und Schlagzeug in Harmonierausch
Vor einigen Jahren brachte Markus Stockhausen die für mich besondere Aufnahme „Close To You“ heraus. Wer ihn nie gehört hat: Seine musikalische Herangehensweise mag zwischen Paul Winter Consort und Keith Jarrett beschrieben sein. Paul Winter hat einen vergleichbaren Hang zu romantisch-klaren Melodiebögen und eine weltmusikalische Offenheit, Keith Jarrett liebt wie Stockhausen die würdevolle Reduktion.
Und das bekommen wir auch auf dem neuesten Werk von Markus Stockhausen (Trompete, Flügelhorn) geboten. Mit Angelo Comisso (Flügel, Sythesizer) und Christian Thomé (Schlagzeug) fächert Stockhausen liebevolle Strukturen auf: Gefährlich naiv im ersten Track „Blue Morning“, melodienprall in „Hasmin“, schneidend in „Kokoro“. Insgesamt acht Tracks und 50 Minuten hat der legendäre Walter Quintus in seinem Studio in Zerkall im September und Oktober 2004 abgemischt. Selbstredend ist der Sound hervorragend.
Tipp: Wer die Gelegenheit hat Markus Stockhausen live zu sehen, sollte dies nutzen.
von Volker Wilde, in: Der Schallplattenmann, 28. Febr. 2005
Faszination des Trios
Unter der Rubrik „Schallplatten“ besprach Martin Woltersdorf neue Jazz-Aufnahmen. Zu unserer Neuerscheinung „Lichtblick“ schrieb er:
… In „Lichtblick“ (Aktivraum) wird Musik zum Zimmer, in dem Töne und Klänge wie ein riesiges, gläsernes Windspiel hängen. Kategorien heben sich auf, Innen-Landschaften kehren sich nach außen, Sounds schweben wie Jazz-Ambiente. Das Trio Markus Stockhausen (Trompete), Angelo Comisso (Piano) und Christian Thomé verbreitet Kühle und Distanz, dennoch ist Wärme spürbar, eine Intensität, die auch in Klangräumen Spannung schafft. Markus Stockhausens Trompeten-Ton ist tatsächlich, wie der Titel der CD suggeriert, wie immer ein „Lichtblick“ am Firmament der Blechbläser.
von Martin Woltersdorf, in: Kölner Stadtanzeiger, 23. Jan. 2005