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Die Magie des Moments
„Es gibt diesen einen Moment – entweder du lebst ihn oder du verpasst ihn.“
Diesen Satz haben wir alle sicher schon einmal gehört – doch oft sind das eben nur nette Worte aus dem esoterischen Poesiealbum.
Umso schöner, wenn man die Magie des Moments wirklich erfahren darf.
In der Musik erlebe ich immer wieder solche Augenblicke des Glücks:
Der Ton ist immer hier und jetzt – der gespielte Ton lässt mich den Moment erfahren. Insofern ist für mich die Musik auch der einfachste und direkteste Weg, das Jetzt zu erfahren.
Das gilt für mich besonders für Musik, die nicht notiert ist, sondern tatsächlich – frei improvisiert – aus dem Augenblick heraus entsteht.
Ich hatte das Glück, die Freude des freien Spieles sehr früh entdecken zu können.
Lange bevor ich eine Invention von Bach spielen konnte, liebte ich es, stundenlang am Klavier zu improvisieren. Ganz in diesen Momenten aufzugehen und die Zeit zu vergessen.
Natürlich haben sich diese Improvisationen im Laufe der Jahre verändert: Je mehr ich auf meinem Instrument lernte, desto mehr Möglichkeiten eröffneten sich auch für das freie Spielen.
Es folgten viele Jahre, wo ich in die komplexe Welt des Jazz eindrang, wo ich mich – mittlerweile auf dem Saxophon – in komplizierten Harmonien, Tongestaltung und Rhythmik übte. Doch die Kinderfreude am Spiel ohne Noten – an der unglaublichen Freiheit aus einer Vielzahl von Klängen schöpfen zu können, die blieb mir erhalten.
Durch die Workshops bei Markus Stockhausen hat sich für mich in den letzten Jahren diese Erfahrung noch einmal entscheidend vertieft. Er nennt das „Intuitive Musik“. Und im Gegensatz zum Jazz, wo zumeist über die Harmoniefolgen bestimmter Stücke improvisiert wird, fallen in der Intuitiven Musik viele dieser Schranken weg. Diese Musik ist offen für alle Richtungen, sei es aus Klassik, Jazz oder Neuer Musik. Sie ist nicht vorhersehbar und immer neu. Insofern ist jedes Konzert ein Wagnis, dem Moment zu vertrauen und sich nicht auf ein vorher eingeübtes Programm zu verlassen.
Heißt das jetzt, dass alle einfach drauflos spielen – in der Hoffnung, dass etwas Schönes dabei entsteht? Nein, natürlich nicht!
Das geht vielleicht allein oder zu zweit, aber sicher nicht in einer Gruppe mit 10 oder mehr Spielern. Da ist eine ganz hohe Achtsamkeit von allen Musikern gefordert. Und genau das üben wir in der Intuitiven Musik.
Vor allem ist es eine Schulung des Hörens – und zwar ganz praktisch. So begann jeder Workshop-Tag zunächst einmal mit Gehörbildung: Erkennen von Melodien der anderen, Erkennen von Harmonien und Rhythmen. Einer spielt vor, die anderen spielen nach. Eine Schule des Hörens. Es ist also nicht nur die höhere Eingebung einer Intuition – es gibt auch viel Handwerkliches, was für das gemeinsame Spielen geübt werden kann.
Allerdings ist gutes Hören nicht nur Handwerk, das wirkliche Zuhören hat auch eine spirituelle Dimension. Man ist einerseits bei dem Spiel der anderen und andererseits bei sich selbst. Man wird Teil von etwas Größerem und versucht ein Gespür zu entwickeln: kann ich mit meiner Stimme etwas zu dem Gesamtklang beitragen oder pausiere ich lieber?
Natürlich ist das eine Herausforderung für jedes Musiker-Ego. Welcher Musiker möchte nicht mal zeigen, was er alles drauf hat?! Wer möchte nicht mal demonstrieren, dass es sich doch gelohnt hat, dass er stundenlang zuhause Skalen, Etüden oder raffinierte Jazz-Pattern trainiert hat?
Doch genau darum geht es bei der Intuitiven Musik nicht.
Auch das ist für mich bei den Workshops von Markus eine wichtige Erfahrung: Sie sind nicht kompetitiv. Die Demonstration des Höher, Weiter, Schneller, die ich von Jazz-Workshops kannte, bleibt hier aus. Die Betonung liegt immer auf dem Gesamtklang und der Frage: Was kann ich dazu beitragen? Und manchmal ist Stille eben der bessere Beitrag…
Überhaupt hat Stille einen wichtigen Platz in diesen Workshops. Nach den morgendlichen Gehör- und Improvsationsübungen, ist nachmittags Raum für das freie Spiel. Und jede neue Improvisationssequenz beginnt aus der Stille heraus. Wer einen Impuls verspürt, beginnt zu spielen. Die anderen hören zu – und wer reagieren möchte, reagiert, indem er die Spielidee aufnimmt, vertieft oder einen Kontrast schafft. Viele Varianten sind möglich – entscheidend ist, dass man bei sich ist und bei dem, was als Gesamtklang entsteht. Es ist ein hochsensibler Prozess, der die Achtsamkeit aller Spieler erfordert. Eine wirkliche Schulung des Bewusstseins.
Natürlich wird man auch Momente erfahren, wo man nicht bei sich ist. Wo einen vielleicht mehr der Drang zur Selbstdarstellung überkommt als die Intuition, die aus der Stille herauskommt. Auch das gehört zum Lernprozess dazu: Man ist nicht immer bei sich, aber kann lernen, sich zu öffnen und aus einer Eingebung heraus zu spielen. Individuell und kollektiv.
Und dann kann auf einmal eine Magie entstehen, wenn sich ein kollektiver Klang erhebt und alles Sinn macht. Bei der Intuitiven Musik habe ich immer wieder solche Momente gemeinsamer Ekstase erlebt. Plötzlich hebt so eine Gruppe ab und etwas Unfassbares geschieht: Die Gruppe ist zu einer Stimme von etwas Universellem geworden. Ein Klangorchester entsteht und die Gruppe wird zur gelebten Utopie: die Spieler, die zugleich alle auch Mit-Komponisten sind, schaffen ein Gesamtkunstwerk.
Aus den Workshops bei Markus ist vor einigen Jahren das Intuitive Music Orchestra entstanden. Zuletzt trafen wir uns Ende September bei traumhaftem Spätsommerwetter zu einem viertägigen Workshop im Hermannshof in Völksen bei Hannover. Ein wunderschönes Anwesen mit Park und Obstwiese. 13 Musiker mit ganz unterschiedlichem musikalischem Hintergrund kamen zusammen. Orchestermusiker, Jazzer, ja sogar eine Opernsängerin war dabei. Und wieder übten wir uns im Spiel von Augenblick zu Augenblick und wieder geschah diese Magie: aus vielen Einzelnen wurde ein großes Ganzes.
Ich musste an die Zeilen des türkischen Lyrikers Nazim Himet denken:
„Leben wie ein Baum,
einzeln und frei,
und brüderlich wie ein Wald,
das ist unsere Sehnsucht.“
Dort in Völksen gab es für mich mehr als einen Moment, wo diese Sehnsucht Wirklichkeit geworden ist…