15.9.2013 – von Heinz Linduschka

Musikglanzlicht in Hausens Alter Dorfkirche

Markus Stockhausen sorgte für Gänsehaut und lauten Jubel.
Hochkonzentriert und höchst innovativ präsentierte Markus Stockhausen seine Improvisationen mit dem Flügelhorn in Hausen vor den Bildern von Gunther Schwind.

Hausen. Mit dem Namen „Stockhausen“ sind höchst moderne kompositorische Techniken verbunden – für manche Musikfreunde ein Horror, für viele Musikkenner Meilensteine in der Entwicklung der Musik in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Gründe genug, mal vor Schrecken, mal vor Begeisterung Gänsehaut zu bekommen. Als Markus Stockhausen, der Sohn des berühmten Karlheinz Stockhausen, der vor knapp sechs Jahren starb, in der Alten Dorfkirche Hausen auftrat, sprachen viele der rund 100 Besucher auch über Gänsehaut, meinten das aber ausschließlich positiv.
Das Kulturreferat des Landkreises Miltenberg hatte nach vielen Jahren dem „Hausherrn“ der Alten Dorfkirche, dem Künstler Konrad Franz, aus Dank für seine Leistungen im „Kunstnetz“ und im Kunstleben des Landkreises einen Herzenswunsch erfüllt und den inzwischen 56jährigen Weltklassetrompeter, Jazzmusiker und Komponisten Markus Stockhausen nach Hausen eingeladen. Was der in 90 Minuten bot, machte das kleine Hausen für anderthalb Stunden zu einem Musikmekka für echte Musikenthusiasten: Markus Stock-hausen zelebrierte mit Flügelhorn, Trompete und Piccolotrompete ein akustisches Gesamtkunstwerk, dem sich niemand entziehen konnte und das spürbar Spuren im Publikum hinterließ.
Es war höchst intensive Musik mit stark improvisatorischem Charakter, oft im Augenblick entstanden, mit einer Harmonik, die alles andere als abschreckend war, sondern die Zuhörer von der ersten Sekunde an in ihren Bann zog. Mit einem glasklaren hellen Ton des Flügelhorns gab von der ersten Sekunde an Stockhausen das Signal für höchste Konzentration im Publikum, und gleich wurde deutlich, warum im Altarraum der Kirche neben dem Solisten Lautsprecher und ein Computer aufgebaut waren. Stockhausen setzt sehr gezielt und verblüffend innovativ Live-Elektronik ein, nutzt technische Innovation für ein Klangerlebnis der ganz besonderen Art, ohne Elektronik an die Stelle von Kreativität zu setzen, im Gegenteil. Elektronik verstärkt in seiner Musik die innovativen Elemente, bringt die solistischen Fähigkeiten noch besser zur Geltung und sorgt für Töne, die man so noch ganz selten gehört hat. Immer wieder erfüllte eine differenzierte und fein nuancierte Echowirkung das Kirchenschiff, wurden Melodieparts und Themen variiert, wurden Stimmungen kreativ durchdekliniert, erklang mal ansatzweise eine Art Orgelsound neben dem Flügelhorn und nahm dessen Tonbild auf. Töne verhallten, dann wieder faszinierte Stockhausens Trompeten-Dynamik die Zuhörer, sorgte der intensive Klang der Piccolotrompete für höchste Aufmerksamkeit und setzte eigenwillige Zäsuren in die Tonlandschaft, die Stockhausen in das Kirchenschiff zauberte. Mal schwelgte er in melodischer Schönheit, verhinderte aber alle Süßlichkeit und vermied jedes Pathos. „Er macht die Schönheit zum Dogma, ohne das Pathos zu kultivieren“ – mit diesen Worten charakterisierte ein Musikkritiker die Musik Stockhauses treffend, die auch in Hausen zu hören war. Denn immer wieder fordert der Musiker mit Brüchen Hörgewohnheiten bis an die Grenzen – eine Art produktive Provokation. Viele waren dankbar, als er für einige Minuten mit den meditativen Tönen der Kalimba eine erholsame Zäsur setzte.
Auch beim Wechsel vom Flügelhorn zur Trompete spielte sich der Musiker erst einmal durch ein Suchen, ein Tasten in die neue Improvisation hinein, nahm die Zuhörer auf diesem Weg in die Musik durch alle möglichen Stimmungen mit, setzte mit der Piccolotrompete silbrig-helle Glanzpunkte und stellte denen mit Trompete und Dämpfer eine Art Gegenmodell gegen triumphale Anklänge gegenüber, ein Suchen, ein Tasten, das für absolute Stille in der Kirche sorgte.
Dieser Höhepunkt des Musiklebens im Landkreis Miltenberg endete mit minutenlangem Beifall und mit drei Zugaben der Künstlers, der sich in Hausen inmitten der Bilder des Aschaffenburger Künstlers Gunther Schwind offensichtlich wohlfühlte und offenbar gerne bereit wäre, ein zweites Mal an diesem Ort aufzutreten – zu wünschen wäre es.




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