Interview vor einem Konzert in Verl mit INSIDE OUT mit Markus Stockhausen
Verl (gl). Sein Ideal ist eine Musik, die jenseits aller Stilrichtungen klingt, sich aber keiner verweigert. Ihm geht es um Musik, die die Menschen in der Tiefe bewegt, die die Seele berührt: Markus Stockhausen, Sohn von Karlheinz Stockhausen, einem der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, weiß sowohl mit seinen Werken als auch mit seinem Spiel auf der Trompete und dem Flügelhorn zu verführen.
Davon kann man sich am Sonntag, 10. Mai, ab 19.30 Uhr in der Kaunitzer Marienkirche überzeugen, wo der just 58 Jahre alt gewordene, mehrfach ausgezeichnete und international auftretende Musiker zusammen mit Jazz-Pianist Florian Weber als Duo „Inside Out“ im Rahmen der Konzertreihe „Vier Jahreszeiten“ zu erleben sein wird. „Die Glocke“ hatte vorab Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem vielseitigen Musiker.
„Die Glocke“: Herr Stockhausen, ist man automatisch der Musik verfallen, wenn man Ihren Namen trägt?
Stockhausen (lacht): Nein, mein Vater hatte sechs Kinder. Nur drei haben die Musik zu ihrem Beruf gemacht. Aber mein Vater hat uns schon früh sehr gefördert und hat später vieles speziell für mich geschrieben.
„Die Glocke“: Dann gehörte Musik seit jeher zu Ihrem Alltag?
Stockhausen: Irgendwie schon, aber nicht zwingend. Wirklich für mich entdeckt habe ich sie erst im Teenageralter. Bis dahin hatte ich auch mal mit dem Gedanken gespielt, Architekt zu werden. Ich plane und entwickle gern.
„Die Glocke“: Vom frühen Klavierunterricht zu ihren heutigen vielschichtigen Musik-Projekten ist es ein langer Weg gewesen.
Stockhausen: Ich bin klassisch ausgebildet und habe nicht nur mit meinem Vater viel zeitgenössische Musik gemacht. Aber das habe ich weitgehend hinter mir gelassen. Der Jazz mit seinen Improvisationen und die intuitive Musik geben mir den Raum, mich kreativ auszudrücken und Dinge bis hin zu einer großen Form frei zu erfinden.
„Die Glocke“: Wo hört bei ihnen die Improvisation auf und beginnt die Intuition?
Stockhausen: Improvisation bezieht sich meist auf ein vereinbartes Schemata, einen bestimmten Stil. Selbst im Free Jazz nimmt man noch Bezug auf eine spezielle Ästhetik. Intuitive Musik beginnt für mich dann, wenn ich mit leerem Geist auf die Bühne gehe und einen Klang aus dem Moment heraus erfinden kann. Das ist für mich die größte Freiheit.
„Die Glocke“: Was brauchen Sie dafür?
Stockhausen: Außer einem freien Geist und dem bewusst gelebten Moment einen Partner mit großer Spielerfahrung wie Florian Weber. Mit ihm gelingt es, intensive und schöne Stimmungen zu schaffen, die zudem authentisch sind. Wir haben uns vor Jahren über gemeinsame Freunde angenähert. Unsere Zusammenarbeit ist von großem gegenseitigen Respekt gespeist. Unsere Musik entzündet sich immer wieder neu an den Ideen des anderen. Nicht von ungefähr haben wir uns „Inside Out“ genannt: Unsere Musik ensteht von innen nach außen.
„Die Glocke“: Für einen Trompeter dürfte ein Klavier kein einfacher Dialog-Partner sein.
Stockhausen: Es ist sehr präzise in der Stimmung, da muss sich die Trompete in der Intonation genau anpassen. Aber dafür kann der Flügel auch mehr Polyphonien und eine größere Dynamik liefern als beispielsweise eine Gitarre. Damit lässt sich wunderbar improvisieren.
„Die Glocke“: Sie haben sich Ende Februar bei der WDR 3-Jazznacht im Theater Gütersloh erstmals in der Region mit ihrem Projekt „Inside Out“ vorgestellt. Was darf das Publikum in Kaunitz erwarten?
Stockhausen: Teils spielen wir bekannte Kompositionen von Florian und mir, teils noch nicht gehörte und freie Musik.
„Die Glocke“: Sie sind ein vielbeschäftigter und vielseitiger Musiker: Erst kürzlich wurden sie in Köln mit „Search for Buddha“ (in Kooperation mit dem Komponisten Sandesh Shandilya) gefeiert, am 6. Mai geben Sie mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker ein Konzert in der Bundeshauptstadt….
Stockhausen: Diese vielen unterschiedlichen Projekte bringen immer neue Herausforderungen. Ich muss mich ständig umstellen. Das ist spannend. Ich fühle mich in diesem Bereich, in dem ich derart mehrgleisig fahren kann, sehr wohl.
„Die Glocke“: Und gleichzeitig geben sie Workshops zum Thema Stille. Wie passt das zusammen?
Stockhausen: Stille ist für mich eine wichtige Ergänzung zur Musik. Ich glaube, es gibt heute eine große Sehnsucht danach. Stille bringt die Gelegenheit, sich mit sich selbst tiefer zu beschäftigen, Antworten auf Fragen zu finden wie „Wo verorte ich mich?“ oder „Wer bin ich?“. Innere Stille kann aber auch während Musik erlebt werden. Es gibt eine natürliche Verbindung von Musik und Spiritualität.
„Die Glocke“: Musik als Träger einer Philosophie?
Stockhausen: Beide, Musik und Stille bieten einen besonderen Raum, in dem sich Menschen auf einer tieferen Ebene finden und begegnen können. Wenn Musik in sich harmonisch ist, fühlt man sich wohl. Meine Herausforderung als Musiker ist es, eine Situation zu entwickeln, die stimmig ist, in der der Hörer auf vielen Ebenen angesprochen wird. Denn die Menschen wollen berührt werden, das ist ein natürliches Bedürfnis, sie möchten etwas erleben, das sie tief bewegt. Seelisches soll Raum bekommen dürfen.
„Die Glocke“: Das klingt nach einer Mission.
Stockhausen: Nein, mir geht es nicht ums Missionieren oder um die Bedienung eines Zeit- oder Musikgeschmacks. Ich mache das, was mir selbst gut tut und was mir sinnvoll erscheint.