Berliner Morgenpost, 23.04.2001

Snétberger und Stockhausen: Weltmusik ohne Gefühlsplüsch

Nennen wir es Musik! Weltmusik, Jazz, «Klassik» gar, als was immer das Duo-Konzert des Trompeters Markus Stockhausen mit dem ungarischen Gitarristen Ferenc Snétberger im Kammermusiksaal der Philharmonie angekündigt war, es brauchte keinen Namen, keine Gattung, was so leicht und lieblich aus ihren Instrumenten floss. Diese unmögliche Besetzung, wie man vorher wohl gedacht haben mochte, schuf beiden Virtuosen den Rahmen für ihre intimsten musikalischen Neigungen.

Stockhausen ist ein tiefgründiger Elegiker, egal, ob er sich der Trompete, der spitztönenden Clarin-Trompete oder des weichen Flügelhorns bedient. Über Snétbergers Saitenlandschaften lässt er am liebsten weitgreifende Melodiebögen gleiten. Rhythmisches Spiel wirkt fast wie eine Beschränkung seiner Freiheit, gleichwohl wird in manchen raschen Läufen, die er ohne Erhöhung des Grundtempos in seine Improvisationen einflicht, klar, dass der Jazz die wichtigste seiner musikalischen Erfahrungen ist.
Snétberger, wie sein langjähriger Duopartner Markus Stockhausen gleichermaßen Komponist wie Interpret und übrigens gleichen Jahrgangs (1957), offenbart in seinen Soli, wie auch in der Begleitung andere Wurzeln: nicht die der Sinti und Roma, seiner ethnischen Herkunft, sondern den mächtigen Klang der spanischen Gitarrentradition. Snétberger ist ein ganz großer Erzähler auf seinem Instrument. In der Prosa seiner stets farbig aufgeblätterten Akkordfolgen erkennt man den Gestus von Romanen vergangener Epochen – die Hörer erhalten von ihm das Gefühl von Zeit-Haben als Geschenk.
Ein Stück heißt «Suave» (sanft, weich), und das könnte die Überschrift des ganzen Abends sein. Stockhausens und Snétbergers freundliche Klänge wecken ferne Erinnerungen an andere Musik. Zum Beispiel an Miles Davis‘ «Sketches of Spain»(1959). Das dort mit einer riesigen Gitarre verglichene Gil Evans Orchestra findet sich hier auf die ursprüngliche Klangidee zurückverzaubert. Ein bisschen wirkt Markus Stockhausen wie die frohe Botschaft aus der siebenteiligen Oper «Licht» seines berühmten Vaters Karlheinz. Die Botschaft heißt Versöhnung und Zurückhaltung. Zugunsten des nüchternen Ambientes im halbvollen Kammermusiksaal hatten Stockhausen und Snétberger auf den Gefühlsplüsch anderer «Weltmusik»-Etablissements verzichtet, mit dem ihre nie verletzte Harmonie zur reinen Wohlfühlmusik degradiert worden wäre. Höchste Klarheit war der Gewinn. Und die gestattete zum Ende des Konzerts den wunderbar gelingenden Schwalben-Flug in die dünneren Lüfte freierer Improvisationen.




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