Sandesh Shandilyas orchestrale Biografie „Search for Buddha“ in der Oetkerhalle
Die meisten Hollywoodfilme folgen demselben Schema: Ein Held wird aus dem gewohnten Trott gerissen, einem annehmlichen, aber unspektakulären Leben.
Zunächst weigert er sich, dem Ruf zu folgen: Im Auenland ist es einfach zu schön! Dann tritt er die Reise doch an und mit diesem Einverständnis öffnen sich ungeahnte Türen, kreuzen Mentoren seinen Weg, die beim Meistern der schwersten Prüfung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Was folgt, ist die Rückkehr in die alte Welt – als veränderter, gereifter Mensch, der den Funken der Erkenntnis weiterträgt.
Zu diesem Thema entwickelte der indische Filmmusikkomponist Sandesh Shandilya im Auftrag des WDR mit „Search for Buddha“ ein in vielerlei Hinsicht Brücken schlagendes Musikprojekt – und Bielefeld hatte am Samstag das Glück, vom einem hochkarätig besetzten Ensemble die Botschaft Buddhas auf eine Weise nahegebracht zu bekommen, die auf unmittelbare Weise mit den Seelen der Zuhörenden in Austausch trat. Und das scheint ein segensvoller Zugang, ist Buddhas Erkenntnis, dass Leben und Tod letztlich eine Illusion sind, dem Verstand doch nicht zugänglich.
Joseph Campbell heißt der amerikanische Anthropologe, der Mitte des letzten Jahrhunderts anfing, Mythen aus allen Kulturen zu vergleichen – und das archetypische Muster der Heldenreise herauszuarbeiten, das so viele Generationen von Drehbuchautoren inspirierte. Aber wie verhält es sich mit einer Reise, die vornehmlich das Innenleben betrifft und in einer umwälzenden Bewusstseinstransformation ihren Höhepunkt findet?
„Wir leben in aufreibenden Zeiten und suchen überall nach Frieden und Freude. Gautama Buddha lehrte uns, diese Werte in uns zu finden“, beschreibt Shandilya, was er mit seiner Musik transportieren möchte. Dazu trägt sicher auch die symbolträchtige Vielfalt des Orchesters, der Solisten und Dirigent Wayne Marshall aus verschiedenen Kontinenten bei. In der Oetkerhalle bot sich ein ungewohntes Bild: WDR-Funkhausorchester und -chor, gesäumt von Tabla-Spieler Hanif Khan und Percussionist Rhani Krija, Markus Stockhausen an der Trompete, Tara Bouman an der Klarinette und Sänger Rabih Lahoud, der die Entwicklungsstationen Buddhas mit eingängigen, zu Herzen gehenden Versen begleitete. Bleibt die Frage: Wie überführt man den Klang der Stille, jenseits von Gedanken und Worten, die innere Explosion, die Süße des Universums, reines Bewusstsein in eine musikalische Struktur?
Der Abend lebte von der Live-Darbietung: Komponist Shandilya sang selber mit. Er nahm vor dem Orchester Platz, versenkte sich in die Musik. In seinem Gesicht spiegelte sich die Wonne, die Buddha auf seinem Weg erfährt. Die Auflösung der Dualität, die letztlich über den Tod siegt und das letzte Stück des Abends, die Abschiedsfeier zu Buddhas Tod, zu einem fulminanten Finale werden lässt, in dem der uneingeschränkten Bejahung des Lebens ein musikalisches Denkmal gesetzt wird.
Die Zeit dazwischen entfaltet schnell einen meditativen Sog: Weltmusik und Bollywood, Jazzelemente und ein Hauch Frank Sinatra, geschwungene, opulente Passagen und sagenhafte Percussion- Dialoge wechseln sich ab wie Ebbe und Flut, ergeben eine feine, ungeheuer reichhaltige Textur, über der mondgleich die Stille in Shandilyas Gesichtsausdruck schwebt. Der Chor singt zunächst auf Hindi, dann auf Englisch. Am Ende schwappt ein Mantra zu Ehren Buddhas von den Musikern auf die Besucher über, die eingeladen sind mitzusingen und Anteil zu haben an gelebter Spiritualität.
Irgendwo zwischen den Noten und Taktstrichen hat Buddhas Suche nach dem Glück Funken geschlagen und manch ein Besucher des bemerkenswerten Abends geht nach ausgiebigen, stehend gegebenen Ovationen womöglich mit dem Gefühl nach Hause, etwas von diesem Feuer mitnehmen und weitertragen zu können.