Symbiosis

für Klarinette, Trompete und Streichorchester

SYMBIOSIS ist ein Doppelkonzert für Klarinette (auch Bassklarinette) und Trompete (auch Flügelhorn) mit Streichorchester. Ich schrieb es für das Franz Liszt Kammerorchester, und es gelangte am 18. Mai 2007 in Budapest unter der Leitung von Péter Gazda zur Uraufführung. Weitere Aufführungen erfolgten mit dem Münchener Kammerorchester, mit der Deutschen Kammerakademie Neuss beim WDR Jazz 2007 in Köln, dem Univesitätsorchester Oslo, dem Metropol Orchester beim Holland Festival 2011, und mit den Hamburger Symphonikern 2014.
Der Grundgedanke zu SYMBIOSIS war der Wunsch, für Tara Bouman und mich ein grösseres Werk zu schaffen, in dem wir beide gleichberechtigt als Solisten spielen können, und das unsere verschiedenen Klangfarben und Spielweisen, von klassischer und zeitgenössischer Musik bis zum Jazz und der freien Improvisation, vereint.
Das Werk hat 5 Sätze und dauert etwa 32 Minuten. Ich habe die Streichergruppen bis auf die Kontrabässe geteilt – die meisten Streichorchester haben nur einen Kontrabass -, sodass ich insgesamt neun Streicherstimmen habe, was die Harmonik und Stimmführung weiter differenziert.
Der erste Satz besteht aus einem schnellen Teil im 4/4 und einem langsamen Teil im 3/4 Takt. Obwohl das Werk quasi atonal beginnt, mit einigen raschen Klangschichtungen, bilden sich doch bald Tonalitäten heraus: es-Moll, b-Moll, f-Moll, C-Dur, und im langsamen Teil wieder als Ausgangspunkt b-Moll, dass aber öfter moduliert und schliesslich in C-Dur endet.
Der 2. Satz ist virtuos angelegt, ein schneller 5/8 Takt in f-Moll, der zunächst die Streicher herausfordert und dann später schwungvoll die Solisten vorstellt, zunächst einzeln, und dann im rhythmisch markanten Miteinander, für kurze Zeit zu einem pfiffigen 3/4 Takt wechselnd. Den Schluss haben wieder die Streicher mit den Anfangs-Motiven des 2. Satzes, Klarinette und Trompete setzen nur zuletzt ein i-Tüpfelchen drauf.
Der 3. Satz, ganz im 3/4 Takt gehalten, ist der “zeitgenössischste”. Klangtexturen, Chromatik, mehrschichtige Tonalitäten, gesteigerte Intensitäten der Soloinstrumente in z.B. schnellen Septolen (Klarinette), und zum Ausklang eine freie, atonale Improvisation von Klarinette und gestopfter Trompete über rhythmischen Streicher-Riffs.
Nach diesem intensiven Klanggeschehen beruhigt sich die Musik im sehr sinnlich angelegten 4. Satz, im phrygischen as-Moll. Die Solo-Violine beginnt ein Motiv, nun im langsamen 3/4 Takt, das den ganzen Satz bestimmen wird. Das Motiv wird zunächst dialogisch vom Cello beantwortet, später übernehmen Bassklarinette und Flügelhorn diese Motive. Die Entwicklung führt zu einem Streichertutti, das eine gefühlvolle Melodie ‘romantisch’ harmonisiert. Wieder haben Flügelhorn und Bassklarinette Gelegenheit zur Improvisation, erst einzeln, dann “in der dritten Runde” gemeinsam, und sie münden in einer Wiederholung des Tuttis.
Ich wollte in diesem Satz etwas zum Ausdruck bringen, was mir in der sogenannten “neuen” Musik oft fehlt: ein eindeutig warmes Gefühl, das sich nach meinem Gefühl nur in “klassischen” Harmonien ausdrücken lässt.
Zuletzt spielt der 5. Satz mit der Zahl Fünf: Ein Thema erklingt im 5/4 Takt und dauert fünf Takte. Die Tonart ist ein g-Moll, das aber chromatisch angelegt ist. Jede Streichergruppe spielt dieses Thema einmal, ehe Bassklarinette und Flügelhorn mit langen Tönen einsetzen. Bald darauf spielen beide allein im Duo – das einzige Mal in SYMBIOSIS – ein freie Improvisation, ähnlich einer Kadenz, die die Chromatik immer mehr zu Vierteltönen verdichtet. Die enge Berührung und die resultierende Verschmelzung der Töne verdeutlicht die tiefere Bedeutung von SYMBIOSIS. Während beide schliesslich auf einem ‘g’ landen, spielt das Orchester zum 5. Mal das Thema, und das Werk endet im Einklang.

Symbiosis

Komponiert
im März 2007

Besetzung:
Klarinette in B (auch Bassklarinette)
Trompete in B (auch Flügelhorn)
Streicher (6-6-4-3-1 oder 4-4-4-2-1)

Uraufführung
am 18.05.2007 in Budapest; mit Tara Bouman, Markus Stockhausen und dem Franz Liszt Kammerorchester unter der Leitung von Gazda Péter.

Aktivraum Musikverlag, Köln 2007
ISMN: M-700233-22-8

Die CD “Symbiosis “ erschien 2008 im Aktivraum:



Zur deutschen Erstaufführung

Der WDR schrieb in seiner Konzertankündigung anlässlich der deutschen Erstaufführung von “Symbiosis” beim WDR JazzCologne Festival 2007: “Markus Stockhausen. Längst ist dieser Trompeter aus dem Schatten seines Vaters Karlheinz heraus getreten, längst hat er sich auf das Abenteuer Improvisierte Musik eingelassen. Heutzutage ist Markus Stockhausen ein anerkannter Stilist, der sich international durchgesetzt hat – als Instrumentalist wie auch als Komponist. Dieser Abend ist so eine Werkschau, zu der der “WDR Jazzpreis”-Träger von 2005 mit seiner Ehefrau, der holländischen Klarinettistin Tara Bouman, und der Deutschen Kammerakademie Neuss das Publikum einlädt. “Komprovisation” ist ein Stichwort, das in Stockhausens Werk eine Rolle spielt, “Intuitive Musik” ein weiteres. Beide Begriffe beschreiben anschaulich sein Nicht-System: der spontane und freie Umgang mit dem Material, das schöpferische Arbeiten im Augenblick, ein sich Fallenlassen aus und Loslassen von vorgegebenen Strukturen – all das tritt auch in Kompositionen wie “Ascent And Pause”, “Relief” oder “Symbiosis” deutlich zu Tage. “Improvisierte Musik ist eine empfundene Musik, die die Einheit von Denken und Fühlen zum Ausdruck bringt”, so Markus Stockhausen.”