Innige Musik der Stille
Kritik aus: Online Music Magazin (OMM), 25. Sept. 2004 von Frank Becker
„Innig“ ist wohl das einzig richtige Wort, die Musik zu beschreiben, mit der Tara Bouman (Klarinette, Bassetthorn, Bassklarinette) und Markus Stockhausen (Trompete, Flügelhorn, Piccolotrompete, Rhythmus) den Hörer, der ihre CD „Thinking About“ auflegt, für eine gute Dreiviertelstunde der Welt entziehen. „Moving Sounds“ haben sie ihr Duo getauft. Der Name passt, denn ihre Klänge bewegen. Wer Stockhausen kennt, ist auf Sphärisches vorbereitet, stellt aber, wie stets bei dessen Konzerten und Aufnahmen fest, dass Mal um Mal neue Tiefen, ganze Klangwelten auszuloten sind.
Thinking About ist eine Liebesgeschichte, ein sehr persönliches Album, das wie ein Erinnerungsbuch von Markus Stockhausen und Tara Bouman in neun Kapiteln aufgeschlagen und präsentiert wird. Dezent. Unaufdringlich. Aber eindringlich. Aus dem erst musikalischen, dann persönlichen Zusammenfinden der beiden Solisten im Duo „Moving Sounds“ ist schließlich ein Lebensbund geworden. Die Übereinstimmung der Seelen findet in dem ganz unspektakulären Album ihren überzeugenden Niederschlag, teilt sich mit und gibt ab. Das gilt für das durchkomponierte Stück „Gläserne Gebilde“ ebenso wie für die intuitive Musik des Titelstücks und z.B. „Talimba“, in dem Stockhausen nach der Trompete auch zur Rhythmus gebenden Kalimba greift. Toningenieur Christoph Schumacher kommt hier gewiss ein Gutteil Verdienst zu.
Stockhausen/Bouman lassen sich von ihrer Musik, ihren Empfindungen tragen – das Spiel ist organisch, gibt und nimmt Impulse aus sich selbst. Zur „Serenade“, die zunächst als instrumentale Improvisation aufgenommen worden ist, hat Stockhausen, von dem übrigens alle Kompositionen des Albums stammen, später eine Singstimme hinzukomponiert und eingefügt. Tara Bouman zeigt auch hier beim Modulieren mit den Stimmbändern die Sensibilität, die ihr besonders mit der Bassklarinette eigen ist. „Thinking About“ weiter zu beschreiben, geht von der Zeit ab, es erneut zu hören. Das aber sollte man.
Moving Sounds
Kritik aus: jazzpodium, 1. Mai 2004
Das Duo nennt sich Moving Sounds, die Musik bezeichnet Markus Stockhausen als „intuitiv“ und die Einspielung trägt den Titel „Thinking About“. Damit wären die getragenen, lyrischen und beseelten Stücke in wenigen Worten beschrieben, die der Trompeter gemeinsam mit der Klarinettistin Tara Bouman auf der CD festgehalten hat. Fließende Ruhe und ruhiger Fluss, melodiös und atonal, Jazz und Avantgarde, Improvisation und Reflexion. Diese Musik ist alles zugleich und spiegelt das Denken über eine allumfassende Mystik wider. Die Klarheit der Klänge berührt den Zuhörer im Innersten, sie öffnet Räume, in denen sich Musiker und Hörer gemeinsam finden. Schwebende Sounds lösen Strukturen auf und bilden neue. Auf das schnelle und lebhafte „Judan“ folgt eine getragen dahinfließende „Serenade“, in „Talimba“ wird der Rhythmus durch die Perkussion auf der Kalimba (im Mehrspurverfahren) unterstützt. Trompete oder Flügelhorn dialogisieren mit Bassklarinette und Bassetthorn meist in ruhiger Weise, hin und wieder aber auch aufgeregt schnatternd wie in „Papillons“.
Ganz gleich, ob Stockhausen und Bouman sich improvisierend umeinander bewegen oder in notierten Passagen zusammenfinden, die zeitlose Ästhetik innerer Ruhe bestimmt den Rhythmus, impressionistische Pastelltöne prägen die Klangfarben. Die Stücke lassen sich zwar beschreiben, entziehen sich aber jeglicher Klassifizierung. „Klangstille und Klangfülle umschreiben, was nicht benannt werden kann“, sagt Markus Stockhausen zu dieser Meditationsmusik.
Jenseits manch zeitgenössischer (Jazz-)Stilistik
Kritik aus: KLASSIK HEUTE, 1. Apr. 2004 von Hans-Christian v. Dadelsen
Es sind kleinste Nuancen des melodischen Filigran, die Art, wie diese in den großen melodischen Bau greifen, wie sie klanglich und dynamisch synchron oder kontrastierend zusammenwirken und dabei doch stets ein wenig unberechenbar bleiben – es sind immer wieder diese höchst komplex zusammenwirkenden Abläufe, die bewirken, dass man musikalisch fasziniert ist und den Eindruck hat, so und nicht anders muss es sein. Gleich im anfänglichen Zephir erreichen die beiden Musiker eben diese Stimmigkeit und Überzeugungskraft im Detail, dass man die Frage, ob hier etwas ‘Komponiertes’, etwas ‘Improvisiertes’ oder einfach intuitiv Gespieltes vorgestellt wird, vollkommen unerheblich ist. Eine gute Komposition jedenfalls wird ‘intuitiv’ bzw. ‘innerlich’ von einem Komponisten (etwa Mozart) gehört, und vielleicht ist dabei ja auch Arbeit notwendig, aber der Hörer sollte das nicht merken.
Tara Boumans und Markus Stockhausens musikalischer Ansatz ist durchaus ‘esoterisch’, aber ohne die gängigen Klischees billiger ‘Intuition’, vielmehr ganz im Geiste einer enormen musikalischen Konzentration, wobei zahlreiche musikalische Stile doch etwas sehr Eigenes, Intensives ergeben. Charakteristische Jazz-Klauseln und immer anders typisierte ethnische Floskeln sind in hohem Maße durch einen Brennspiegel persönlicher Metamorphose gegangen – wenn sie dann, etwa im genialen Judan kurz aufleuchten, so brennt diese Musik in sich selbst ganz jenseits manch zeitgenössischer (Jazz-)Stilistik.
Klangbild von fast schmerzhafter Reinheit
Kritik aus: Jazzthetik, 1. Mai 2004 von Rolf Thomas
Schneidende Dissonanzen, die aber so leichtfüßig und filigran daherkommen, dass sie vom Ohr als angenehm empfunden werden – das ist eine Spezialität des Duos Moving Sounds, die im Titelstück ihrer Debüt-CD „Thinking About“ beispielhaft präsentiert wird. Zusammen mit zwei anderen Titeln wird dieses Stück von seinen Urhebern als ‚intuitive Musik’ bezeichnet – und wenn das bedeutet, dass die Musik spontan entstanden ist, so ist das Ergebnis umso überraschender.
Zusammen mit seiner – auch privaten – Partnerin Tara Bouman entwirft der Trompeter Markus Stockhausen auf dieser CD ein Klangbild von fast schmerzhafter Reinheit. Die beiden Bläserstimmen – ab und zu ergänzt durch etwas Perkussion oder das afrikanische Daumenklavier – scheinen fast nackt im Raum zu stehen, und doch vermisst man bei dieser Musik nichts. ‚Mit wenigen Tönen viel sagen zu können’, ein Satz aus dem Phrasenhandbuch, der einem hier in den Sinn kommt, aber Stockhausen und Bouman füllen diese vermeintliche Banalität mit Leben.
Das ändert sich auch nicht im einzig vollständig auskomponierten Stück dieser Platte: ‚Gläserne Gebilde’ von Markus Stockhausen arbeitet mit geschickt ineinander verschränkten, sperrigen Intervallen, und die Bassklarinette von Tara Bouman, die im allgemeinen ein eher stiefmütterliches Dasein im Jazz fristet, entfaltet auf einmal einen fast schon lieblich zu nennenden Reiz. Dass eine solche Musik, die viel mit dem Auskosten und der Nutzung des Klangraums und der Stille zu tun hat vor allem im getragenen Tempo daherkommt, verwundert da schon weniger – dass das Konzept von Moving Sounds aber auch bei höherer Geschwindigkeit funktioniert, beweist kurz vor Schluss das muntere ‚Judan’.
Gläserne Gebilde gefangen
Kritik aus: Kölner Stadtanzeiger, 13. Apr. 2004
Zwei Stimmen treten in einen poetischen Dialog miteinander. Momente der Stille und der Meditation wechseln sich mit beweglichen Abschnitten ab. Tara Bouman (Klarinette) und Markus Stockhausen (Trompete) zeigen sich auf ihrer gemeinsamen CD „Thinking about“ jetzt als eingespieltes Team: Kein Wunder, sind die beiden doch auch privat ein Paar. Als Duo Moving Sounds spielten sie zum ersten Mal 2002 zusammen.
In Stockhausens Idee der intuitiven Musik fügt sich die in Amsterdam ausgebildete Musikerin perfekt ein. Sie gilt wie Stockhausen selbst als veritable Interpretin Neuer Musik. Beide bedienen eine erweiterte Instrumentenfamilie – Bouman auch Bassetthorn und Bassklarinette. Stockhausen auch Piccolotrompete und Flügelhorn. Neben drei Improvisationen enthält die CD vor allem Mixturen aus notierten und spontan improvisierten Elementen. Außerdem gibt es eine reine Komposition mit dem Titel „Gläserne Gebilde“. Für einige Stücke wurde sogar ein Mehrspurverfahren verwendet, so dass der Eindruck eines Trios entsteht. Von der natürlichen Ruhe und Beredsamkeit des einleitenden Tracks“ Zephir“ reicht die Spannbreite bis zu komplex durchdachten Stücken wie „Kurzes Glück“ oder „Papillons“, in dem Schmetterlinge geradezu bildlich greifbar werden.
Exotisch mutet „Talimba“ an, in dem Stockhausen zu Perkussion-Instrumenten wie der afrikanischen Kalimba greift. Im Schluss-Stück „Serenade“ tritt Boumans Stimme den Instrumenten hinzu – ein Effekt, den man aus ihren Konzerten kennt. Das Titelstück „Thinking about“ entwickelt eine fast sphärische Klangwelt, die aus einem Reich fern unserer Zeit zu kommen scheint. Eine Aufnahme voll Reife und Zartheit, die Stockhausen auch seiner intuitiven Musik angedeihen lässt.