Pressetext von Christiane Teworte
ETERNAL VOYAGE – neue, universelle Musik
Markus Stockhausen, der Kölner Trompeter und Komponist ist für seine Vielseitigkeit bekannt. Mit „Eternal Voyage“, dem Debütalbum seiner gleichnamigen neuen Weltmusikformation, stellt er dieses Attribut einmal mehr unter Beweis. Entstanden ist ein Album, das Genregrenzen überwindet und dessen Gewicht vor allem auf der Schönheit der Kunst liegt.
Um es gleich vorwegzunehmen: Eternal Voyage enthält eine Vielzahl von Gänsehautmomenten und musikalischen Themen, die im Ohr bleiben. Die Musik hat eine große Tiefe und gleichzeitig eine Leichtigkeit, sie ist erfrischend einfallsreich und frei. Die Musiker inszenieren sich angenehm bescheiden und achtsam, verspielt, jedoch ohne den roten Faden zu verlieren, dynamisch und abwechslungsreich. Eternal Voyage ist das Gemeinschaftswerk von Menschen, deren Wurzeln sehr verschieden sind und die sich auf einer Basis von Freundschaft, Respekt und Spielfreude zusammenfinden.
„Jetzt sind Sie dran“ – unter diesem Motto gestaltete Stockhausen in der Kölner Philharmonie im Dezember 2008 ein Konzert zum Mitsingen. Er stellte experimentierfreudig Gastmusiker zusammen, mit denen er diesen Abend bestritt: seine Ehefrau und Duopartnerin Tara Bouman an Klarinette und Bassklarinette, der Pianist Florian Weber, mit dem Stockhausen inzwischen auch im Duo konzertiert, der junge libanesische Sänger Rabih Lahoud, dessen Gesangsqualitäten Stockhausen im Sommer 2008 bei einem Kurs entdeckte, der indische Flötist Dinesh Mishra und der aus Griechenland stammende Dimitrios Dorian Kokiousis an Schlagzeug und Perkussion.
Das Konzert erhielt eine sehr positive Resonanz von den Besuchern, und in der Folge gründete Markus Stockhausen zusammen mit diesen Musikern die Gruppe Eternal Voyage. Im Sommer 2009 entstanden die vorliegenden Aufnahmen in der „Fattoria Musica“, einem ausgezeichneten Studio in der Nähe von Osnabrück. Die Mischung fertigte Markus Stockhausen zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten und Meister seines Fachs, Walter Quintus, an.
Wie ein Ruf aus anderen Welten beginnt im ersten Track Sabad die indische Flöte, gefolgt von Synthesizer, Perkussion und Flügel. Dazu flüsternd gesprochene arabische Worte, geheimnisvoll und tief. Einfühlsam improvisieren die Musiker miteinander, bis das Stück an Fahrt gewinnt. Musik und Lyrik finden einen gemeinsamen Ausdruck. Der zweite Track ist instrumental. Diese Komposition Stockhausens klingt so leicht und frisch, wie sie heißt: Morning Breeze. Es ist ein schönes Beispiel eines harmonischen Zusammenspiels der virtuosen Instrumentalisten.
White Sail bezieht sich inhaltlich auf die griechische Heldensage vom Tod des Aigeus. Feinsinnig und mitreißend verweben sich hier Instrumente und Gesang. Einen ersten Höhepunkt findet das Stück auf dem lang angehaltenen Gesangsbogen Rabih Lahouds. Er klingt mächtig und er klingt klein – man fühlt das Suchende und Verzweifelte eines Irrfahrenden. Es folgt ein Moment der Ruhe, und daraus erhebt sich der klare Ton der Trompete wie ein weißes, sonnenbeschienenes Segel aus dem Nebel. Der zauberhafte Ton der zarten Klarinette und die liebliche Bansuriflöte bringen zurück zu dem süchtig machenden Thema, das dieses Stück zum Highlight auf dieser CD macht. Der orientalische Sänger singt hier in seinem libanesischen Heimatdialekt, genauso wie im folgenden Track Indian Tale, das von einem Thema des indischen Komponisten und Flötisten Dinesh Mishra inspiriert ist. Die Musik ist eine Liebeserklärung an seine Heimat und seine musikalischen Wurzeln.
Entrada ist ein zauberhaftes, kurzes Stück. Kein Text ist zu hören, wohl aber feine Gesangslinien, bereichert durch die warme Stimme der in Köln lebenden chilenischen Jazzsängerin Paz Miranda Francis. Im anschließenden Salida vereinen sich beide Sänger zu einem anheizenden, zweistimmigen Scatgesang. Die Musik des Stücks ist „fetzig“. Sie erinnert an den funkigen Sound der 70er Jahre, und Markus Stockhausen zitiert auf seiner Trompete, die er linkshändig live mit einem E-Pianosound harmonisiert, Phrasen populärer Musik.
Beim vorletzten Track Mutter wurde eine Dichtung vertont, die Lahoud als 14-Jähriger für seine Mutter schrieb. Vorgetragen wird die rührende, arabische Lyrik mit sehr reduzierter Klavierbegleitung. Der Pianist Florian Weber versteht es hier ganz ausgezeichnet, aus der Position eines hochgebildeten deutschen Jazzmusikers feinsinnig den arabischen Mitspieler zu begleiten.
The Blind ist der letzte Track des Albums und dauert etwas mehr als 15 Minuten. Ein wenig ist es so, als würde sich jeder der Mitspieler noch einmal vorstellen und verneigen. Jeder Stimme des Sextetts wird ein authentischer Augenblick gewidmet – dem kraftvollen Trommelspiel, der virtuosen Trompete, deren Ton nicht enden mag, der sanften Bassklarinette, der verspielten indischen Flöte, dem mal glasperlenartig klingenden, mal forsch angespielten Klavier, dem gedämpft vorgetragenen Sprechgesang und der ruhigen Fläche, die der Synthesizer zu erzeugen vermag.
Eternal Voyage ist Ausdruck einer freundschaftlichen, interkulturellen Zusammenarbeit, die sich in Zukunft hoffentlich weiter fortsetzen wird und sei denen ans Herz gelegt, die Musik lieben. Man dringt hier zum Kern von Musik vor, zu dem, was Musik für alle Menschen bedeuten kann: ein kulturübergreifendes Medium, das sich wie ein Kelch mit Gefühlen und Leidenschaft, mit Form, Schönheit und Kraft füllen kann, und das sich mit Hilfe des individuellen Könnens der Musiker direkt ins Herz des geneigten Hörers transportieren lässt.