Es war einmal …istanti infiniti…

Nach dem großen Erfolg der CD „Lichtblick – prima, altrove …“ von Markus Stockhausen (Trompeten), Angelo Comisso (Piano, Synthesizer), Christian Thomé (Schlagzeug) hat das Trio nun seine zweite CD veröffentlicht.

Am Anfang stand ein einzelnes Stück, „Strahlenspur“, aufgenommen 1983 mit Rainer Brüninghaus am Klavier und dem Schlagzeuger Fredy Studer. Da spielte ein junger Mann Trompete, wie es die Welt noch nicht gehört hatte, mit einem klaren Ton von erdenferner Schönheit und einem Musikverständnis, das mühelos die Formatgrenzen von Avantgarde, zeitgenössischer Klanggestaltung, Improvisation hinter sich ließ. Später erzählte mir Markus Stockhausen, dass es sich tatsächlich um einen Glücksfall gemeinsamer Inspiration gehandelt habe. In jedem Fall war der Weg gewiesen, nach vorne und mit behutsamer Stetigkeit nach oben.
Mehr als zwei Jahrzehnte später ist Markus Stockhausen wieder an einem Punkt angelangt, der Freiheit verheißt. Er hat ein Trio gefunden, gleiche Besetzung wie damals, das ihn trägt, ihm Flügel verleiht. Und er hat einen Reflexionsgrad, eine musikalische Reife erreicht, die Intuition und Kontrolle, Persönlichkeit und Perfektion auf gleichem Niveau verknüpft. Das Resultat ist eine musikalische Balance, der man die Kämpfe anspürt, die zu ihr geführt haben, und zugleich eine Kraft, die aus den Tönen selbst zu kommen scheint. Immer noch geht es um Klangästhetik, Wirkung, um die Verbindung von Vorstellung und Ausdruck, auf einer weiteren Ebene auch um das Verschwinden des Kompositorischen ohne strukturellem Verlust. Um Gemeinsamkeit, die Kunst generiert. Um das Organische im Artifiziellen.
Die Musik der Trios Stockhausen, Comisso und Thomé hat daher etwas Herakliteisches. Sie erzählt, plaudert, räsoniert und debattiert, in reger Kommunikation der Beteiligten, und folgt zugleich einem gleichmäßigen Strom der Eindrücke, der sanft, aber bestimmt die Künstler weiter führt. Es gibt Momente des Verweilens, der Ruhe, Introvertiertes genauso wie Schelmisches, ja sogar manches Redundante, das den Kontrast zu anderen, kompakten Elementen verstärkt. Vor allem aber ist das Moment des Loslassens auf der Basis eines gemeinsamen Rahmens stärker denn je. Damit schließt sich der Kreis. Was mit „Strahlenspur“ als Glücksfall begann, ist inzwischen zu einer Klangsprache herangewachsen, die ihresgleichen im Umkreis der Improvisation, der Komprovisation sucht. Ralf Dombrowski

Veröffentlicht:
2006

Künstler:
Markus Stockhausen
Trompeten
Angelo Comisso
Piano, Synthesizer
Christian Thomé
Schlagzeug)

Tracks:
Es war einmal 05:03
Morgenblick 09:26
Traumzweige 04:24
Kraftfelder 09:54
Sahel 05:27
Moths 07:03
Maytime 09:50
Jahoo Refrain 03:27
Smiling Parks 07:27
Mtoto 07:51

Label
Aktivraum, AR 10106

Erhältlich:
Amazon
iTunes
Spotify
…und im Handel.



Jazzthing, 1. Febr. 2007

Markus Stockhausen: Es War Einmal … Istanti Infiniti

Seinen Ruf als Klang-Ästhet unter den Jazz-Trompetern wird Markus Stockhausen mit dieser Aufnahme keinesfalls schmälern.

Auch auf seinem neuesten Werk schwelgt der Sohn von Avantgarde-Komponist Karlheinz Stockhausen, dem Planeten entrückt, durch fragile Klangkosmen, tupft weiche Töne, lässt strahlende Melodien aus dem Nichts auftauchen und sie dorthin wieder verschwinden, verwischt Strukturen, kurz nachdem er sie angedeutet hat, und spielt mit Intensitäten wie mit Federbällen. Über 20 Jahre, nachdem er sich auch in der Jazzszene einen Namen gemacht hatte, spielt der 50-Jährige immer noch Improvisationen, die von europäischer Konzertmusik inspiriert sind und manchmal an die Arbeiten von Kenny Wheeler erinnern. Mit dem Pianisten Angelo Comisso und Drummer Christian Thomé hat er zwei Partner gefunden, die seinen ausgeprägten Sinn für intuitive Schaffensprozesse teilen. Das Trio erhebt den Schönklang zum Dogma, ohne den Kitsch zu kultivieren. Viel schöne Musik, die nur eines vermissen lässt: das warme, federnde Fundament eines Holzbasses.

Frank Becker in: musenblaetter.de, 26. Jan. 2007

Ausgleich – Neue Momente der Ruhe

Wer je die Chance hatte, eines der ergreifenden Konzerte mit allen Sinnen zu erleben, die Rolf Zavelberg im beeindruckenden Schiff der Kölner Kirche St. Maternus mit Markus Stockhausen und dessen musikalischen Partnern inszeniert, hat einen tiefen Eindruck davon bekommen, daß Musik nicht nur Klang ist.

Die Wirkung eines sich in die Kirchenkuppel aufschwingenden und förmlich in der Zeit verharrenden einzelnen Tons von Flügelhorn oder Trompete ist unerhört. Zavelbergs Label „Aktivraum“, das Stockhausens Musik herausbringt, ist daran interessiert, auch CD-Einspielungen diese Qualität mitzugeben.
Das Trio Markus Stockhausen – Angelo Comisso – Christian Thomé, das sich mit dem Album „Lichtblick – prima altrove…“ vor Jahresfrist brillant vorgestellt hat, legt nun mit dem jüngsten Ergebnis der klangpoetischen Zusammenarbeit „Es war einmal – instanti infiniti..“ gefühlvoll ein im Sinne der Gesamt- Konzeption Zavelbergs hervorragend gelungenes neues musikalisches Bilderbuch nach. Es sind auch hier wieder Stücke, die neben fein geformten ästhetischen Klängen, wirklich bezaubernden Melodien und instrumentalen Höhenflügen eine Idee transportieren. Die zeite Ebene der Musik Stockhausens entfaltet und erschließt sich dem Hörer wie ein Panorama, ein Weg in eine offene Landschaft.
Spanische Skizzen klingen im Titelstück an, Stockhausen nähert sich lyrisch dem großen Miles Davis, dessen „Solea“ hörbar Einfluß genommen hat. Dramatisch dazu Angelo Comisso am Flügel. Dem „Morgenblick“, lebendig, optimistisch und durchscheinend, folgt eine Traumsequenz, der Titel schlüssig: „Traumzweige“ – Musik, die man sich zu Lewis Carrols Alice-Geschichten vorstellen kann. Die Dynamik der strudelnden „Kraftfelder“ hat wieder eine eigene Sprache, die mal fast tänzerisch die Hand ausstreckt, dann mystisch gedämpft, durchwoben von feiner Elektronik flüstert, schließlich in jazziger Eleganz ausklingt.
Den ersten vier Titeln aus Stockhausens Feder folgen zwei Comissos, der das Element der Stille in den Mittelpunkt rückt und dabei in „Moths“ sogar dem Schlagzeug Thomés eine tragende Rolle gibt. Er löst diesen scheinbaren Widerspruch fabelhaft. „Maytime“ ist in seiner hellen Epik diese weit offene Panorama, in das man, geführt von Stockhausens kristallklarem Spiel auf der Trompete, gerne schreitet. Zwei weitere Stücke Comissos, der sich wie seine Mitspieler stets vornehmster Zurückhaltung bei optimaler musikalischer Aussage befleißigt, lassen den Blick in die apostrophierte Unendlichkeit schweifen…