Bonner Generalanzeiger, 28.03.14 – Von Susanne Haase-Mühlbauer.

“Musik als Mittler zur Seele”

SIEGBURG. Mit seiner Trompete und einem Herz voller Klänge und Schwingungen ist Markus Stockhausen seit vielen Jahren auf der ganzen Welt unterwegs. Er spielt frühmorgens in den Dolomiten, mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker im Markusdom in Venedig, oder er lädt das Publikum der Kölner Philharmonie zum Mitsingen ein, lässt die Zuhörer über den gemeinsamen Klang in Kontakt treten.

Immer geht es ihm dabei um Schwingungen und den Zugang zur eigenen Kreativität und zur inneren Stille. Diesen Zugang ermöglicht der Komponist und virtuose Musiker mit seiner eigenen, intuitiven Musik. Am Sonntag kommt Stockhausen nach Siegburg und markiert mit seinem Auftritt zugleich die erste Kooperation des Stadtmuseums Siegburg mit dem Katholisch-Sozialen Institut (KSI), dessen neue Wirkungsstätte demnächst auf dem Michaelsberg sein wird. Über Harmonie und Glaube, Singen und Stille sprach Markus Stockhausen, ein Sohn des wohl bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts im Interview.

Sie laden ein zum Mitsingen. Welche Lieder haben Sie denn auf dem Programm?
Markus Stockhausen: Gar keine. Es geht um das gemeinsame Singen von Tönen und Vokalen. Texte werden nicht gesungen. Es entsteht ein gemeinsamer, großer Klang, den ich anleite und zuweilen am Klavier begleite. Im Wechsel spiele ich Trompete oder Flügelhorn solo. Es ist also eine Verbindung aus Solo-Konzert und gemeinsamem Singen.

Seit wann machen Sie solche Konzerte zum Mitsingen?
Stockhausen: Mitsingrituale gingen in unserer Gesellschaft, wo sie früher bei Feierlichkeiten feste Plätze hatten, immer mehr verloren. Vor meinen Konzerten in der Kölner Sankt-Maternus-Kirche habe ich oft “Einstimmungen zum Mitsingen” für das Publikum durchgeführt. Als ich 2008 in der Kölner Philharmonie mit 1200 Menschen das erste große Konzert zum Mitsingen gab, war die Resonanz überwältigend und wunderbar. Über das Singen wird eine starke Verbindung geschaffen. Die Menschen fühlen sich einbezogen und beteiligt am kreativen Prozess.

“Singen und Stille” ist der Untertitel – wie wichtig ist die Stille?
Stockhausen: Ich gebe zu diesem Thema vor allem Seminare. In meinen Konzerten zum Mitsingen ist lange Stille nicht wirklich umzusetzen. Aber die kurzen Momente der Stille sind auch hier sehr wertvoll, weil im Ausklang der Musik Stille entsteht, einem Echo vergleichbar, dem man andächtig nachspürt. Diese Konzertform versuche ich neu zu etablieren.

Das Konzert ist ein Kooperationsprojekt des KSI mit dem Stadtmuseum Siegburg? Wo sind Ihre Anknüpfungspunkte?
Stockhausen: Schon im Jahr 2000 habe ich eine Reihe von fünf Konzerten im KSI in Bad Honnef gegeben und wurde jetzt für Siegburg erneut eingeladen.

Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Stockhausen: Ja. Ich glaube an die eine Quelle des Lebens, die allem zugrunde liegt. “Religio” heißt “Wiederverbindung”. Es ist das Erspüren dieser Verbindung zur Quelle in uns, die keiner benennen kann und die doch für uns alle in jedem Moment neu als Lebenskraft und Inspiration spürbar ist.

Sie bieten Konzerte und Seminare mit intuitiver Musik an, zum Thema Transformation durch Klang. Musik ist für Sie eine Art “Türöffner der inneren Stille”. Das klingt nach Musiktherapie.
Stockhausen: Ich bin vor allem Musiker, auch wenn ich den therapeutischen Effekt der Musik natürlich erkenne und gerne wirken lasse. Die innere Stille hat für mich vor allem eine spirituelle Dimension.

Zusammen mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, die übrigens eine Woche nach Ihnen in Siegburg konzertieren, haben Sie im Sommer 2011 ihre Komposition “Miniatur einer Seelenreise” in Luzern aufgeführt. Wieso nehmen Sie ausgerechnet 12 Celli und eine Trompete mit auf Ihre Seelenreise?
Stockhausen: Meine “Miniatur” war ein Auftragswerk der 12 Cellisten für ihre CD “Angel Dances”. Als das Stück fertig war, empfand ich es wie eine kleine Seelenreise, die die Etappen eines Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen beschreibt, und das war mit dem überwältigenden, warmen und vollen Klang der 12 Cellisten einfach unglaublich schön umzusetzen. Die schönste Aufführung, die wir gemeinsam hatten, war 2009 im Markusdom in Venedig. Für mich ein persönlicher Höhepunkt.

Mit dem Namen Stockhausen verbinden viele Ihren Vater Karlheinz Stockhausen – einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Obertonmusik, elektronische Musik, Raumklänge, avantgardistische Opern, intuitive Musik – die Themen Ihres Vaters sind allesamt Meilensteine der Neuen Musik – dagegen wirken Sie mit Ihrer Musik eher konservativ.
Stockhausen: Mein Vater war ein musikalischer Forscher und immer experimentell ausgerichtet. Ich bin eher harmonisch veranlagt. Jeder trägt seinen eigenen Seelenrhythmus. Ich habe gerade in der Kölner Philharmonie eine Aufführung seines Werkes “Momente” besucht. Viele seiner Stücke habe ich als Trompeter mitaufgeführt, und ich bin unendlich dankbar für alles, was ich mit ihm erlebt habe. Für meine Musik suche ich nach meinem eigenen Zugang zu dem, was die Menschen in der Tiefe bewegt und ihre Seele berührt.

Auf ihrer Homepage haben Sie ein Foto, das Sie mit Ihrer Trompete über den Bergen zeigt. Ein besonderes Erlebnis?
Stockhausen: Unbedingt. Das Bild entstand in den Dolomiten, bei einem Konzert um fünf Uhr morgens. Mehr als 100 Leute kamen nach Sauris – ich habe sehr schöne Erinnerungen an diesen Auftritt, ein heftiges nächtliches Gewitter war gerade vorbeigezogen und der Morgenhimmel lichtete sich mit Blick über weite Alpenketten.

Interview mit Markus Stockhausen: “Musik als Mittler zur Seele” | GA-Bonn – Lesen Sie mehr auf: www.general-anzeiger-bonn.de

Markus Stockhausen wurde 1957 geboren und studierte an der Kölner Musikhochschule Klavier, klassische und Jazz-Trompete. 25 Jahre musizierte er im Ensemble seines Vaters, des Komponisten Karlheinz Stockhausen (1928-2007), der zahlreiche Stücke für ihn schrieb. Markus Stockhausen komponiert für viele namhafte Ensembles und Orchester, und tritt als Trompeter weltweit auf. Mit seiner eigenen Konzertreihe intuitiver Musik gab er über 100 Konzerte in der Maternuskirche in Köln. 2010 gründete er die Internationale Akademie für Intuitive Musik. 2005 erhielt er den WDR-Jazzpreis. Für musikalische Laien leitet er Workshops zum Thema „Singen und Stille“, auf der Suche nach einem Klangerlebnis, das der Mittler zur Seele ist. Markus Stockhausen ist verheiratet mit der Klarinettistin Tara Bouman, hat zwei Kinder und lebt in Erftstadt bei Köln.




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